Gauckler an der Macht: Heilige Einfalt in der Politik

Dass die Wahl des neuen Bundespräsidenten letztlich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Alt-Bischof Huber und Pastor Gauck wurde, enthüllt wie kaum ein anderer Sachverhalt die Nöte der deutschen Politik: In einer Zeit, in der rhetorische  Phrasendrescherei an die Stelle politischen Sachverstands getreten ist, wendet man sich hilfesuchend an die wahren Meister dieser Kunst: Theologen. Weiterlesen

Ohne Schulden kein Vermögen: Der Irrsinn der Ökonomie (II)

 

Wie jedes Kettenbriefsystem wird auch der Casinokapitalismus in sich zusammenfallen, wenn die Diskrepanz zwischen Fiktion und Realität zu groß ist, als dass man sich noch darüber hinweglügen könnte. Es sieht so aus, als würden wir uns diesem Punkt allmählich annähern. Immer mehr Menschen erkennen, dass die ins Unermessliche gestiegenen Geldvermögen ebenso irrationale Größen sind wie die im gleichen Maße gestiegenen Schulden, auf denen sie gründen. Wahrscheinlich wird den allermeisten auch erst jetzt, im Moment der Krise, der unaufhebbare Zusammenhang von Vermögen und Schulden bewusst, der da lautet: Ohne Geldschulden kein Geldvermögen!

Für jeden Euro, den Sie ansparen, muss irgendjemand einen Euro ausgeben, der ihm nicht gehört. Steigen also Ihre Ersparnisse, so müssen auf der anderen Seite auch die Schulden steigen. Dieses Spiel kann logischerweise nur so lange funktionieren, wie es den Schuldnern gelingt, den Eindruck zu erwecken, dass sie die verzinsten Schulden zurückzahlen können. Dies jedoch wird mit der Zeit immer schwieriger und irgendwann, wenn Schulden und Vermögen astronomische Höhen erklimmen, völlig unrealistisch. In diesem Moment der Wahrheit wird das Idiotenspiel der Homo-demens-Ökonomie offensichtlich, dann nämlich zeigt sich, dass Schulden, die niemand mehr bedienen kann, notwendigerweise auch Vermögen bedeuten, die durch nichts mehr gedeckt sind.

Normalerweise wird die Schuld am Versagen des Geldkreislaufs den zahlungsunfähigen Schuldnern aufgebürdet. „Wer auch sonst sollte schuld sein, wenn nicht der Schuldner?“,  glaubt der Gläubiger mit naiver Entrüstung. Also zwingt er jene, die nicht mehr zahlen können, siehe Griechenland (bald wird es auch andere Staaten ereilen), Buße zu tun, „den Gürtel enger zu schnallen“ und – auf Finanzteufel komm raus – zu sparen (was die angeschlagene Wirtschaft noch tiefer in den Keller stürzt und fatale soziale Konsequenzen hat ). Doch so bequem es für die Gläubiger auch sein mag, die Schuld beim Schuldner abzuladen, tatsächlich sind sie an der Misere gleichermaßen beteiligt.

Es ist nämlich keinesfalls so ehrenhaft, wie man vielleicht vermuten könnte, zu jenen sparsamen Menschen zu gehören, die – anders als die meisten Staaten oder überschuldete amerikanische Häuslebauer – nicht über die eigenen Verhältnisse leben. Denn derjenige, der unter seinen Verhältnissen lebt, ist volkswirtschaftlich nicht weniger schädlich. Der notorische Sparer, der nichts anderes im Sinn hat, als sein Kapital zu mehren, ist vielmehr ein doppeltes Übel: Er treibt nicht nur andere in die Schuldenfalle, sondern schwächt auch ganz unmittelbar den Wirtschaftskreislauf, auf dem sein Geldvermögen letztlich gründet. Warum? Weil Sparen nichts anderes bedeutet als Konsumverzicht, Konsumverzicht aber führt zu geringerem Absatz von Gütern und Dienstleistungen und somit zu fallenden realen Profiten, woraus wiederum höhere Arbeitslosenzahlen, geringere Steuereinahmen und vermehrte private Insolvenzen resultieren, am Ende sogar Staatsbankrotte und – über die Verquickung von Schulden und Vermögen – last, but not least der Verlust der privaten Ersparnisse.

Fakt ist: Wäre der Staat nicht mit milliardenschweren Konjunkturprogrammen, Subventionen, einem ausuferndem Sozialsystem sowie kolossalen Banken- und Staatenrettungsschirmen in die Bresche gesprungen, wären die Finanzmärkte aufgrund ihrer realwirtschaftlichen Absurdität längst schon kollabiert. Radikal-liberale und linke Ökonomen sind also gar nicht so weit voneinander entfernt, wie man meinen könnte. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass die einen die Irrationalität des Staates kritisieren, der den Markt sabotiert, und die anderen die Irrationalität der Märkte, die den Staat ausbluten lassen. Faktisch jedoch sind beide Irrationalismen systemisch miteinander verbunden: Ohne die Irrationalität der Märkte würde sich der Staat nicht so irrational verhalten – und umgekehrt! Wer zwanghaft an alten ideologischen Denkschablonen festhält („links“ versus „liberal“), wird diesen systemischen Zusammenhang niemals begreifen können.

„Wir leben in einem Tollhaus“

 

„Ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann“, urteilt Esther Vilar über die neue Streitschrift von Michael Schmidt-Salomon, die ab heute im Buchhandel erhältlich ist. Tatsächlich hält „Keine Macht den Doofen!“, was der Titel verspricht: Es ist eine Generalabrechnung mit dem globalen Irrsinn, gnadenlos in Inhalt und Form, wohl eines der radikalsten Bücher, die je geschrieben wurden. Doch was treibt einen humanistischen  Autor dazu, einen solchen Menschheitsverriss zu formulieren? Ist er zum Zyniker geworden? Im hpd-Interview verrät Michael Schmidt-Salomon, was ihn dazu bewegte, das Buch so und nicht anders zu schreiben.

 

hpd: Michael, in deinem heute erscheinenden Buch „Keine Macht den Doofen!“ beleidigst du nicht nur Politiker, Religionsführer, Manager, Medienleute und Pädagogen, sondern letztlich die gesamte Menschheit. So schreibst du, es sei ein „Makel, Mensch zu sein“, und plädierst dafür, im Regelfall nicht mehr von „Homo sapiens“, dem „weisen Menschen“, zu sprechen, sondern von „Homo demens“, dem „irren, wahnsinnigen Menschen“. Das ist starker Tobak für einen Humanisten. Denkst du, dass ein solcher Generalangriff auf die Menschheit bei den Leserinnen und Lesern ankommt?

Schmidt-Salomon: Schwer zu sagen. Es könnte sein, dass nach diesem Buch ein Sturm der Entrüstung über mich hereinbricht, möglicherweise aber trifft das, was ich in „Keine Macht den Doofen!“ geschrieben habe, das Denken und Empfinden vieler Menschen. Ich habe mir beim Schreiben dieses Buchs ganz bewusst keine Gedanken darüber gemacht, wie es bei den Lesern ankommen wird. Das ist vielleicht auch der eigentliche Reiz des Buchs: Ich habe den „inneren Zensor“ ausgeschaltet, um die Dinge möglichst hart, klar und ehrlich formulieren zu können  – ohne Rücksicht auf Verluste. Nicht ohne Grund ist der Held des Buchs das Kind aus Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, das den Mut hat, auszusprechen, was „vernünftige Erwachsene“ niemals aussprechen würden, nämlich dass der Kaiser nackt ist und die Repräsentanten der Macht einem einzigartigen, grotesken Schwindel aufsitzen…

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Geld macht reich: Der Irrsinn der Ökonomie (I)

 

„Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“  Man kann die wirtschaftliche Realität kaum besser beschreiben als mit diesem Bibelwort: Denn wer Kapital hat, dem fließt zusätzliches Kapital in Form von Zinserträgen zu. Wer kein Kapital besitzt, dem wird (sofern er nicht auf Kosten anderer an zusätzliches Kapital herankommt) auch noch das wenige, das er hat, in Form von Zinslasten genommen.

Wenn man die deutschen Privathaushalte in zehn gleich große, nach Vermögen gestaffelte Gruppen unterteilt, zeigt sich, dass nur die beiden vermögendsten Haushaltsgruppen von dem Zinsmechanismus (der nicht nur bei Bankkrediten zum Tragen kommt, sondern in nahezu jedem Wirtschaftsgut versteckt ist) profitieren, während 80 Prozent der Haushalte (genau genommen sind es sogar 85 Prozent) deutliche Verluste hinnehmen müssen. Allein im Jahr 2007 flossen 255 Milliarden Euro  von den acht ärmeren zu den beiden reicheren Haushaltsgruppen. Die größten Gewinner waren dabei die reichsten 10 Prozent der deutschen Haushalte, die einen Zinsgewinn (Zinseinnahmen minus Zinslasten) von mehr als 231 Milliarden Euro verbuchen konnten.

Macht man sich bewusst, dass dieser zinsbedingte Geldtransfer von Arm auf Reich nicht nur 2007 stattfand, sondern seit Jahrzehnten erfolgt, wird klar, warum die reichsten 10 Prozent der deutschen Bevölkerung mittlerweile mehr als 60 Prozent des bundesweiten Vermögens besitzen  (1988 lag ihr Anteil am Gesamtvermögen noch bei 45 Prozent, 2002 schon bei 57,9 Prozent, 2007 bei 61,7 Prozent, Tendenz steigend). Den reichsten 20 Prozent der Haushalte gehören mittlerweile über 80 Prozent des Vermögens, während 80 Prozent der Haushalte mit weniger als 20 Prozent des Kapitals auskommen müssen und die ärmsten 50 Prozent der Haushalte mit Mühe und Not 2 Prozent zusammenkratzen können. Im globalen Maßstab fällt dieses Missverhältnis von Arm und Reich sogar noch dramatischer aus: Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung besitzen 85 Prozent des globalen Vermögens, die ärmere Hälfte der Menschheit zusammengenommen gerade einmal 1 Prozent.

Diese Ungleichverteilung von Vermögen ist nicht nur in ethischer und politischer Hinsicht völlig inakzeptabel (wie auch sollte man derartige Vermögensunterschiede über „reale  Leistungen“ begründen können?!), sondern hat auch fatale volkswirtschaftliche Konsequenzen. In der ökonomischen Theorie wird dieses Problem mitunter unter dem Stichwort „Grenznutzen“ behandelt. Was ist damit gemeint? Nun, je mehr Einheiten Sie von einem Wirtschaftsgut besitzen, desto weniger befriedigend ist es für Sie, noch mehr Einheiten dieses Wirtschaftsguts zu erhalten. Haben Sie beispielsweise großen Hunger, so freuen Sie sich über das erste, zweite, dritte, vielleicht auch noch über das fünfte belegte Brot, doch mit dem zehnten, dem hundertsten, dem tausendsten Brot, das auf Ihrem Tisch landet, können Sie persönlich nichts mehr anfangen.

So ist es auch beim Geld: Für die ärmeren 80 Prozent der Haushalte in Deutschland wäre jede Erhöhung des Einkommens von praktischem Nutzen, denn sie würden das zusätzliche Geld weitestgehend in den Konsum investieren und dadurch die Konjunktur beleben. Für die ohnehin Vermögenden geht jedoch der reale Nutzen zusätzlicher Gewinne gegen null. Schließlich besitzen sie ohnehin schon weit mehr Kapital, als sie persönlich ausgeben könnten. Ein zusätzliches Mehr an Konsum ist für diese Gruppe kaum denkbar und würde ihr auch keine zusätzliche Befriedigung mehr verschaffen, wie Thomas Strobl („Ohne Schulden läuft nichts“) sehr richtig beschreibt: „Luxusartikel sind kein Massengeschäft. Der dritte Porsche macht bei Weitem nicht mehr so viel Spaß wie der erste. Selbst dann nicht, wenn er mit Schwarzgeld angeschafft und auch noch frech von der Steuer abgesetzt wird. Nur mit einer Handvoll Superreicher wird sich eine Marktwirtschaft nicht betreiben lassen – so viel steht fest.“

Das ökonomische Grundproblem unserer Tage besteht darin, dass das Kapital, das die wenigen besitzen, den vielen fehlt, um all die schönen Güter und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die zwar theoretisch bereitgestellt werden könnten, aber aufgrund des zunehmenden Ausfalls zahlungsfähiger Konsumenten keine Abnehmer mehr finden. Hier nun offenbart sich der Gipfel der Ökonomiotie (des ökonomischen Schwachsinns): Denn eigentlich sollte Geld den reibungslosen Austausch von Gütern und Dienstleistungen gewährleisten, unter den gegebenen Umständen jedoch ist es gerade das Geld, das den reibungslosen Austausch verhindert! Im Grunde nämlich ist alles vorhanden, was ein funktionstüchtiger Markt braucht: Menschen mit Bedürfnissen und Produktionsmittel, die diese Bedürfnisse weitestgehend befriedigen könnten. Nur das Medium Geld, das notwendig ist, um Angebot und Nachfrage miteinander zu verkoppeln, ist idiotischerweise nicht an dem Platz, an dem es gebraucht wird. Aufgrund dieser monetären Fehldisposition entsteht eine künstliche Knappheit von Gütern und Dienstleistungen, die bei einer vernünftigeren Verteilung des Mediums Geld gar nicht existieren würde.

Fazit: Marktwirtschaftliche Systeme können nur funktionieren, wenn die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu weit auseinanderklafft. Deshalb sollte die Umkehrung des verhängnisvollen Kapitaltransfers von Arm auf Reich nicht nur eine linke, sondern auch eine liberale Forderung sein. Je früher dies erkannt wird, desto eher werden wir in der Lage sein, den allseits beobachtbaren ökonomischen Verfallsprozessen entgegenzuwirken.

Schwarmdummheit: Ameisen sind im Kollektiv intelligent, Menschen nicht…

Es ist eine Binsenweisheit, dass größere  Menschenmassen größere Probleme erzeugen. Dennoch: Der eigentliche Grund für die globale Misere liegt nicht in der gestiegenen Biomasse des Menschen, sondern in der zu wenig genutzten Hirnmasse: Wir sind schlichtweg zu doof, um so viele zu sein! Jede ökologische Nische verträgt nur ein gewisses Maß an Blödheit – und der Mensch überspannt den Bogen in dieser Hinsicht gewaltig.

Angesichts der Katastrophen, die wir bereits ausgelöst haben, muss man sich wirklich fragen, wer die intelligentere Lebens­form ist: Mensch oder Ameise? Immerhin  übersteigt die Biomasse der Ameisen die des Menschen um ein Vielfaches. (Sie stellen nicht nur viel, viel mehr Individuen, sondern  bringen insgesamt  auch ein größeres Gewicht auf die Waage.) Und obwohl die vielen Trillionen Ameisen Tag für Tag wie die Weltmeister produzieren und konsumieren, gibt es bei ihnen weder ein Überbevölkerungs-­ noch ein Müllproblem. Allem Anschein nach verstehen sie es, intelligenter zu wirtschaften als wir. Aber warum ist das so? Wo liegen die Gründe für die augenscheinliche ökologische und ökonomische Weisheit der Ameisen und die nicht minder offenkundige Blödheit der Menschen? Sind wir als Einzelwesen nicht unendlich viel klüger als sie?

Natürlich sind wir das! Als Individuen sind wir den Ameisen kolossal überlegen,  auf der Ebene des Kollektivs haben wir trotzdem das Nachsehen: Denn Ameisen zeichnen sich durch Schwarmintelligenz aus, Menschen durch  Schwarmdummheit. Es ist exakt das umgekehrte Phänomen: Während sich aus der individuellen Beschränktheit der Ameisen eine kollektive Intelligenz ergibt, resultiert aus der individuellen Intelligenz der Menschen eine kollektive Beschränktheit: Erst gemeinsam sind wir richtig doof!

Denn das ist unsere Spezialität: Wir haben ein System geschaffen, das die Rationalität des Einzelnen mit tödlicher Präzision zur Grundlage eines kollektiven Irrsinns macht, das uns Entscheidungen treffen lässt, die innerhalb des Systems als „klug“, ja sogar „vernünftig“ erscheinen, obwohl sie in Wahrheit von atemberaubender Dummheit sind.

Dafür gibt es kaum ein besseres Beispiel als unsere heutige Wegwerfgesellschaft, die einerseits völlig irrsinnige Konsequenzen hat, andererseits  jedoch sehr wohl auf rationalen  Wirtschaftsstrategien beruht, etwa der sogenannten „geplanten Obsoleszenz“. Unlängst hat sich ein ARTE-Themenabend mit diesem bemerkenswerten Phänomen beschäftigt. Auf der ARTE-Website finden sich hierzu weiterführende Informationen: http://www.arte.tv/de/Die-Wegwerfer/3714422.html