Geld macht reich: Der Irrsinn der Ökonomie (I)

 

„Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“  Man kann die wirtschaftliche Realität kaum besser beschreiben als mit diesem Bibelwort: Denn wer Kapital hat, dem fließt zusätzliches Kapital in Form von Zinserträgen zu. Wer kein Kapital besitzt, dem wird (sofern er nicht auf Kosten anderer an zusätzliches Kapital herankommt) auch noch das wenige, das er hat, in Form von Zinslasten genommen.

Wenn man die deutschen Privathaushalte in zehn gleich große, nach Vermögen gestaffelte Gruppen unterteilt, zeigt sich, dass nur die beiden vermögendsten Haushaltsgruppen von dem Zinsmechanismus (der nicht nur bei Bankkrediten zum Tragen kommt, sondern in nahezu jedem Wirtschaftsgut versteckt ist) profitieren, während 80 Prozent der Haushalte (genau genommen sind es sogar 85 Prozent) deutliche Verluste hinnehmen müssen. Allein im Jahr 2007 flossen 255 Milliarden Euro  von den acht ärmeren zu den beiden reicheren Haushaltsgruppen. Die größten Gewinner waren dabei die reichsten 10 Prozent der deutschen Haushalte, die einen Zinsgewinn (Zinseinnahmen minus Zinslasten) von mehr als 231 Milliarden Euro verbuchen konnten.

Macht man sich bewusst, dass dieser zinsbedingte Geldtransfer von Arm auf Reich nicht nur 2007 stattfand, sondern seit Jahrzehnten erfolgt, wird klar, warum die reichsten 10 Prozent der deutschen Bevölkerung mittlerweile mehr als 60 Prozent des bundesweiten Vermögens besitzen  (1988 lag ihr Anteil am Gesamtvermögen noch bei 45 Prozent, 2002 schon bei 57,9 Prozent, 2007 bei 61,7 Prozent, Tendenz steigend). Den reichsten 20 Prozent der Haushalte gehören mittlerweile über 80 Prozent des Vermögens, während 80 Prozent der Haushalte mit weniger als 20 Prozent des Kapitals auskommen müssen und die ärmsten 50 Prozent der Haushalte mit Mühe und Not 2 Prozent zusammenkratzen können. Im globalen Maßstab fällt dieses Missverhältnis von Arm und Reich sogar noch dramatischer aus: Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung besitzen 85 Prozent des globalen Vermögens, die ärmere Hälfte der Menschheit zusammengenommen gerade einmal 1 Prozent.

Diese Ungleichverteilung von Vermögen ist nicht nur in ethischer und politischer Hinsicht völlig inakzeptabel (wie auch sollte man derartige Vermögensunterschiede über „reale  Leistungen“ begründen können?!), sondern hat auch fatale volkswirtschaftliche Konsequenzen. In der ökonomischen Theorie wird dieses Problem mitunter unter dem Stichwort „Grenznutzen“ behandelt. Was ist damit gemeint? Nun, je mehr Einheiten Sie von einem Wirtschaftsgut besitzen, desto weniger befriedigend ist es für Sie, noch mehr Einheiten dieses Wirtschaftsguts zu erhalten. Haben Sie beispielsweise großen Hunger, so freuen Sie sich über das erste, zweite, dritte, vielleicht auch noch über das fünfte belegte Brot, doch mit dem zehnten, dem hundertsten, dem tausendsten Brot, das auf Ihrem Tisch landet, können Sie persönlich nichts mehr anfangen.

So ist es auch beim Geld: Für die ärmeren 80 Prozent der Haushalte in Deutschland wäre jede Erhöhung des Einkommens von praktischem Nutzen, denn sie würden das zusätzliche Geld weitestgehend in den Konsum investieren und dadurch die Konjunktur beleben. Für die ohnehin Vermögenden geht jedoch der reale Nutzen zusätzlicher Gewinne gegen null. Schließlich besitzen sie ohnehin schon weit mehr Kapital, als sie persönlich ausgeben könnten. Ein zusätzliches Mehr an Konsum ist für diese Gruppe kaum denkbar und würde ihr auch keine zusätzliche Befriedigung mehr verschaffen, wie Thomas Strobl („Ohne Schulden läuft nichts“) sehr richtig beschreibt: „Luxusartikel sind kein Massengeschäft. Der dritte Porsche macht bei Weitem nicht mehr so viel Spaß wie der erste. Selbst dann nicht, wenn er mit Schwarzgeld angeschafft und auch noch frech von der Steuer abgesetzt wird. Nur mit einer Handvoll Superreicher wird sich eine Marktwirtschaft nicht betreiben lassen – so viel steht fest.“

Das ökonomische Grundproblem unserer Tage besteht darin, dass das Kapital, das die wenigen besitzen, den vielen fehlt, um all die schönen Güter und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die zwar theoretisch bereitgestellt werden könnten, aber aufgrund des zunehmenden Ausfalls zahlungsfähiger Konsumenten keine Abnehmer mehr finden. Hier nun offenbart sich der Gipfel der Ökonomiotie (des ökonomischen Schwachsinns): Denn eigentlich sollte Geld den reibungslosen Austausch von Gütern und Dienstleistungen gewährleisten, unter den gegebenen Umständen jedoch ist es gerade das Geld, das den reibungslosen Austausch verhindert! Im Grunde nämlich ist alles vorhanden, was ein funktionstüchtiger Markt braucht: Menschen mit Bedürfnissen und Produktionsmittel, die diese Bedürfnisse weitestgehend befriedigen könnten. Nur das Medium Geld, das notwendig ist, um Angebot und Nachfrage miteinander zu verkoppeln, ist idiotischerweise nicht an dem Platz, an dem es gebraucht wird. Aufgrund dieser monetären Fehldisposition entsteht eine künstliche Knappheit von Gütern und Dienstleistungen, die bei einer vernünftigeren Verteilung des Mediums Geld gar nicht existieren würde.

Fazit: Marktwirtschaftliche Systeme können nur funktionieren, wenn die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu weit auseinanderklafft. Deshalb sollte die Umkehrung des verhängnisvollen Kapitaltransfers von Arm auf Reich nicht nur eine linke, sondern auch eine liberale Forderung sein. Je früher dies erkannt wird, desto eher werden wir in der Lage sein, den allseits beobachtbaren ökonomischen Verfallsprozessen entgegenzuwirken.

28 Gedanken zu „Geld macht reich: Der Irrsinn der Ökonomie (I)

  1. Schade, ein seltener Blödsinn von Schmidt-Salomon.
    Vor allem großartig ist natürlich die Anmaßung, festlegen zu wollen, was wer wollen darf. Und wer gefälligst was begehren darf und was wem welches Maß an Befriedigung bringt.
    Das hat mit Liberalität absolut nichts zu tun und ist einfach sozialistischer Dreck.

    Kurzgefaßt:
    „Den Ärmeren bringt Geld mehr Nutzen, die was haben, haben eh kaum noch Nutzen davon, also können wir es ihnen auch wegnehmen.“

    Wenn man dieselbe „Logik“ zugrunde legt, können wir auch Folgendes formulieren:
    Wir können den „Armen“ ruhig die Organe entnehmen und nach Belieben transplantieren.
    Schließlich haben die eh kaum was vom Leben, also nicht soviel Nutzen davon, aber dem kranken Begüterten bringts ja viel mehr Nutzen….Ist also in jedermanns Sinne und ganz utilitaristisch im Dienste der Gerechtigkeit und zu aller Wohl.

    Ist schon recht bezeichnend, das der Ruf nach „Umverteilung in Dienste der Gerechtigkeit“ oder „um die Marktwirtschaft vor sich selbst zu retten“ vor allem von denen unterstützt wird, deren „Leistungen“ die Wirtschaft doch einfach partout nicht so honorieren mag, wie sie glauben, das sie’s wert seien…

  2. Ich muss HK leider voll zustimmen. Mich enttäuscht dieser Artikel von MSS auch. Strotzt vor Platitüden, sehr niedriges analytisches Niveau. Nicht zu überlesender linksideologischer Einschlag. Wenn das ganze Buch so ist… da hatte ich mir mehr erwartet…

    Und erhofft, weil ich MSS eigentlich immer sehr geschätzt habe als eigenständigen Denker mit Geist und Esprit. Wo gibt’s sowas denn noch?! Den Schritt, sich vom Atheismus als Hauptaugenmerk abzuwenden, habe ich damals sehr begrüßt. Zu dem Thema ist echt alles gesagt (von ihm), das ist vergebliche Liebesmüh und verschenktes Talent.

    War sehr gespannt drauf, was dabei rumkommt, wenn so ein klarer Geist (Freigeist, dachte ich) „sein Licht auf andere Themen leuchten lässt“ Aber das -hier und auch in den anderen bisherigen Blogeinträgen-… hmmm, naja.

    Kein neuer Blick auf die Welt, nichts Spritziges, nichts Erhellendes, keine Weite. Dafür viel Plakatives, revolutionär Klingendes. Wer sich zu sicher ist, im Recht zu sein, ist es meist nicht. Hoffentlich tappt der Autor (und mit ihm das Buch) nicht in diese Falle!

  3. Ironischer Weise wird dieser Text und vermutlich das ganze Buch mehr den Reichen nutzen als den Armen. HKs Kommentar war sicherlich keine literarische Sternstunde, aber inhaltlich kann ich mich nur anschließen. Schmidt-Salomon versteht leider nichts von Wirtschaft, wie sein obiger Text beweißt. Ein Buch von einem Doofen für Doofe. Dabei wäre Bildung nicht nur das Gebot der Zeit, sondern auch die Lösung gegen Armut. Auch der Buchtitel: irgendwie… nunja, doof. Insbesondere da er mehr Macht für die Doofen fordert. Rationalismus, Empirismus, Skeptizismus wo seid ihr??? Und Michael, du hast Vorurteile, hinterfrage sie und leg sie hoffentlich irgendwann ab.

  4. Was für ein hochintelligenter Kommentar von HK. Selbst keine Ahnung vom Thema, aber immer schön andere runtermachen. Ihr Text strotzt ja nur so von Platitüden. Lernen Sie lieber erst mal selbstständig denken, statt schematisch Schwachsinn nachzuquatschen!

  5. HK, was war das denn jetzt für ein Kommentar auf Hauptschulniveau? Haben Sie auch etwas zur Sache oder zu den genannten Fakten zu sagen? Oder sind Sie nur hier um etwas „linken-bashing“ zu betreiben. Fangen Sie langsam an sich Sorgen um Ihr Vermögen zu machen, statt etwas für das Gemeinwohl abzugeben? Bei den vielen Demonstrationen und Riots, die überall ablaufen wissen Sie doch insgeheim, dass etwas gewaltig schief läuft und vor allem, dass es so nicht mehr allzu lange weitergehen wird…. btw: was haben Sie denn gegen Hauptschüler?

  6. Lieber Michael Schmidt-Salomon,

    vielen Dank für dieses Buch, das schon mit den ersten Ausschnitten meine Hoffnung auf eine spezielle Wirkung erfüllt – es trennt sich die Spreu vom Weizen!
    Atheismus ist nunmal nicht zwangsläufig gepaart mit einem wissenschaftlichen und humanen Menschenbild, das sich aus den Implikationen des evolutionären Humanismus ergibt.
    Das Menschen- und Gesellschaftsbild vieler Atheisten ähnelt lustigerweise z.B. eher denen der religiösen Rechten in den USA in Hinblick auf den Glauben an Willensfreiheit, Markt und Kapitalismus.
    Vielleicht regt Ihre Autorität als „Chef-Atheist“ 😉 manche solcher Menschen doch zum Nach- und Umdenken an – wer weiß?

  7. ….es hört sich tatsächlich so an als seien „die reichen“ „schuld“. aber!!
    „die allerdümmsten kälber, wählen ihren metzger selber“.

    ziemlich hart, gehe aber davon aus, daß die wählerstimmen richtig ausgezählt werden.

    epharim

  8. Was war das denn jetzt für eine Analyse auf Hauptschulniveau? Ach, das Geld ist ungleich verteilt, genial. Und Herr Schmidt-Salomon weiß natürlich sicher, wie man es besser verteilen sollte. Oder fragt mal Die Linke, die kennt sich in dem Thema aus. Und was nachher daraus wird. Bei einer Staatsquote um die 50% wird noch nicht genug umverteilt? Vielleicht hat sich der eine oder andere sein Vermögen ja erarbeitet – und gleichzeitig über die Steuern noch andere mitgeschleppt, die zu doof oder zu faul waren.
    Herr Schmidt-Salomon, bleiben Sie bei Themen von denen Sie etwas verstehen oder durchdenken SIe diese bis and Ende. Bitte.

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